Kocherbrücke Enslingen

Sanierung der Kocherbrücke Enslingen 2017
237 Jahre ist sie alt, die Kocherbrücke und steht unter Denkmalschutz. Seit geraumer Zeit ist ihr Zustand nicht mehr des beste – im Gegenteil. Ausgebauchte Stirnmauern, verschobene Gesimssteine und Flügelmauern samt ausgebrochenen Mörtelfugen, abgerissene Stirnringe an den Gewölbeuntersichten und Bewuchs in den Fugen führten neben vielen anderen Schäden bei der letzten Inspektion zur Note 3,8. Damit steht sie zwei Zehntel vor einer Vollsperrung! Eine umgehende Sanierung ist deshalb einzuleiten. Im Auftrag der Gemeinde werden die Ausschreibungsunterlagen von der Firma Krop Ingenieurbau GmbH, Schorndorfer Str. 37, 73650 Winterbach aufgestellt.
Nach vorangegangener Ausschreibung ergeht der Zuschlag an die Firma Albert Amos GmbH & Co. KG, Daimlerstraße 1, 74336 Brackenheim als wirtschaftlichstem Bieter. Rund 950 000 Euro soll die Sanierung kosten. Zuschüsse bekommt die Gemeinde aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum in Höhe von 395 000 Euro, weitere 215 000 Euro fließen aus dem Ausgleichsstock. Die verbleibenden rund 340 000 Euro hat die Gemeinde selbst zu tragen.
Seit 11. Oktober 2016 steht der Bauvertrag zwischen der Gemeinde Untermünkheim und dem Bauunternehmen Amos. Dort laufen jetzt die Planungen für Personal-, Geräte- und Materialeinsatz. Für diverse Arbeiten werden Subunternehmer beauftragt.

Als „Notbrücke“ werden von der Fa. Fischer, Enslingen Ende September 2016 oberstromseitig 2x zehn Betonrohre je 1 m Durchmesser mit aufgelegten Betonplatten in’s Flussbett gelegt. Sollte diese Furt durch Hochwasser oder Bauarbeiten nicht befahren werden können hat die Gemeinde eine Umleitung über Haagen und Feldwege jenseits des Kochers gesorgt und ausgeschildert.
Am 21. März 2017 treffen sich Bauherrschaft, Planer und beteiligte Firmen an der Brücke zu einer Auftaktbesprechung. Als Baubeginn wird der 24. April festgelegt.
Die Enslinger Bürgerschaft konnte sich am 30. März bei einer Einwohnerinformation im Bürgerhaus über die Planung und Bauablauf informieren.
Die Baustelleneinrichtung am 19.04.2017 mit Büro- und Materialcontainer findet bei mäßigem Wetter statt: die Temperatur liegt tags bei max. 18°C, nachts fällt sie auf min. 3,7°C, der Himmel ist stark bewölkt und leichter

Niederschlag.
Am Montag 24. April gibt der Polier der Fa. Amos, Paul Maurer grünes Licht zum ersten „Baggerbiss“. Als erstes schiebt Baggerfahrer Alexander Rusch die obere recycelbare Asphaltdecke ab.
Eine Schürfe bei Pfeiler 1 zeigt was drunter zu erwarten ist. Doch kaum begonnen, müssen die Arbeiten am nächsten Tag schon wieder eingestellt werden.

Die Naturschutzbehörde vom Haller Landratsamt verfügte wegen brütender Gebirgsstelzen, Bachstelzen, Meisen, Amseln und evtl. vorhandenen Fledermäusen sofortigen Baustopp. Diplombiologe Wolf ist beauftragt, das Ganze zu begleiten. Er findet am 27. April in den Gewölbeöffnungen einige streng geschützte und gefährdete Fledermäuse, die ihren Winterschlaf schon beendet haben,

darunter z. B. drei Wasserfledermäuse und ein Großes Mausohr. Sie müssen ihre Quartiere verlassen und werden umgesiedelt. Die Vögel haben es zumindest vorerst besser. Sie dürfen ihre Brut vollenden und die Jungen bis zum Ausfliegen füttern. Dann aber werden auch ihre Niststellen zugestopft.

Durch den Baustopp wird die Firma Amos wenigstens nicht durch das einwöchige Hochwasser vom Anfang Mai behindert. Die Landwirtschaft, die Holzarbeiter im Diebachswald, Fußgänger und Radfahrer müssen allerdings die Umleitung über Haagen nehmen. Währenddessen kann Diplombiologe Wolf am 02. Mai mit einem Steiger der Firma Fischer die Gewölbeöffnungen nach weiteren Fledermäusen absuchen und sie umsiedeln. Am 22. Mai sind die Vogelbruten beendet und die Bauarbeiten können wieder aufgenommen werden.

Auch der landwirtschaftliche Verkehr spielt sich jetzt über die Furt neben der Brücke ab.
Was kommt drunter?
Nach dem Abbruch der restlichen Teerdecke sind die Geländer und Gesimssteine dran. Jetzt soll die Brücke sukzessive zwischen Stirnwänden und Flügeln bis auf die Gewölberücken ausgeräumt werden. Als Verfüllmaterial kommt außer einzelnen Steinquadern hauptsächlich Erde, Sand und Geröll zum Vorschein. Für einen guten Verbund mit dem nachfolgenden Beton werden die Gewölberücken akribisch manuell gereinigt, mit Druckluft abgeblasen und abgesaugt. Dasselbe gilt für die seitlichen Stirnwände und Flügel, die teilweise neu aufgebaut werden müssen. Die Unterseiten der Gewölbebögen werden mit Dampfstrahler gereinigt.

Damit die Brücke nicht „auseinanderfällt“, müssen die Gewölbeöffnungen eins, drei und vier mit seitlichen Stahlträgern querverspannt werden.
Das Wetter spielt im Juni für die Brückenbauer gut mit, nur wenig Regen und Temperaturen zwischen 20° C und 33° C.
In der Öffnung 2 stößt man auf eine horizontale Betonfläche mit Schwarzanstrich – die im Winter 1951/52 durch die Firma Härer, Schwäbisch Hall wieder aufgebaute zweite Gewölbeöffnung. Dieser Teil war im April 1945 durch Wehrmachtsangehörige gesprengt worden.
Strom und Telefon

Damit Enslingen nicht stromlos wird und das Telefon nicht still bleibt, müssen Strom- und Telefonkabel aus dem Baufeld raus und provisorisch neben der Brücke über den Kocher gespannt werden.
Vernadelung

Die ausgeräumte Brücke zeigt das wahre Ausmaß der Schäden. Durch die Überbeanspruchung waren nicht nur die Stirnringe durchgehend abgerissen und nach außen verdrückt, sondern auch viele Gewölbesteine wiesen Risse auf.

Zur Herstellung einer „Gesamtstabilität“ mit Betonverbund werden in die Gewölberücken und Seitenwände hunderte abgewinkelte Bewehrungsstäbe eingeklebt.
Mit zur Baustelleneinrichtung gehört ein mobiler Turmdrehkran, der nach Bedarf von hüben nach drüben umgesetzt werden kann.

Mit ihm können nicht nur die Peiner für das seitliche Gesimslehr- und Arbeitsgerüst mühelos verlegt werden, er ist auch hilfreich beim Ab- oder Aufbau von schweren Natursteinen.

Dafür sind die Spezialisten der Firma Pfeuffer GmbH aus Grünsfeld-Zimmern zuständig.

Sie entfernen auch das Wurzelwerk, das nicht nur in die offenen Fugen sondern auch tief ins Bauwerk eingedrungen ist. Neben der steinmetzmäßigen, passgenauen Bearbeitung der Muschelkalksteine als Ersatz für kaputte Steine räumen sie loses Fugenmaterial aus und verpressen die Fugen kraftschlüssig neu. Ihr Augenmerk gilt auch den Wohnplätzen der Fledermäuse in den Gewölbebögen. Die sollen in vorhandener Anzahl erhalten bleiben.

Für ihre Arbeiten an den Gewölbeuntersichten sind Arbeitsgerüste über dem Wasser eingerichtet. Dort sind sie allerdings sehr hochwassergefährdet!

Die Stirnflächen werden mit einer Gondel erreicht.

Die Eisenflechter kommen


Nach der Sauberkeitsschicht für das Widerlagerfundament auf der Ortsseite sind die Armierer dran. Sie bringen die Bewehrung für die Fundamentplatte und über den ersten Gewölbebogen ein.
Damit der Beton nicht wegfließt, muss der Gewölbebogen im unteren Bereich eingeschalt und die Schalung entsprechend verspannt werden.



Diese Arbeiten wiederholen sich in Öffnung drei und vier bis Mitte August schließlich beide Widerlager und die Gewölbebögen eins, drei und vier samt deren Fundamenten fertigbetoniert sind.
Derweil ist auf der Furt reger Großverkehr.
Leichtbeton

Anstelle der alten Verfüllung mit Erde/Kiessand/Geröll wird jetzt bis Unterkante der künftigen Fahrbahnplatte ein Leichtbeton eingebracht.
Damit soll möglichst wenig Gewicht auf die Bögen kommen.

In diesen werden auch acht Querträger eingebaut, die die Stahlträger für das spätere seitliche Lehrgerüst der Gesimse und das Arbeitsgerüst tragen sollen.

Bevor der Leichtbeton vollends auf Sollhöhe eingebaut werden kann, müssen noch die Stirnmauern links und rechts durch die Firma Pfeuffer entsprechend aufgehöht werden. Hierzu müssen auch mehrere Steine neu behauen und eingepasst werden.

In der letzten Schicht bleiben verschiedene Stoßfugen offen. In dem dahinterliegenden Hohlraum entstehen so beiderseits der Brücke zusammen fast 30 Nistmöglichkeiten.

Die alten gingen den Vögeln durch die Verfugungsarbeiten verloren.
Ende August ist es soweit. Die letzten Kubikmeter Leichtbeton werden in der Öffnung 3 und 4 bis zum waldseitigen Widerlager eingebracht und lassen den Blick auf die Gewölbebögen verschwinden.

Jetzt kann im Nachlauf mit der seitlichen Schalung der 20 cm starken Fahrbahnplatte auf dem Lehrgerüst begonnen werden.
Und schon wieder sind die Eisenflechter zugange und verlegen die zweilagige Bewehrung der Fahrbahnplatte von der Enslinger Seite aus. Am 06. September kann sie abgenommen werden.



Telleranker dienen dabei der späteren Verankerung der Gesimskappen.
Viele Leute schon früh auf der Baustelle!
Über 10 Arbeiter am frühen Morgen auf der Baustelle – das lässt auf eine größere Aktion schließen. Und so ist es auch, am 07. September wird die Fahrbahnplatte betoniert! Um halb acht hat jeder seinen Platz – der Betonmischer steht auf der Furt bereit, der Kranfahrer befördert den Betonkübel hin und zurück, zwei Mann dirigieren und entleeren den Betonkübel auf der Brücke, Beton verteilen und rütteln, die blaue Rüttelbohle bedienen – mit ihr wird die exakte Oberfläche profiliert, letzte manuelle Glättungen mit der Kelle hinter der Bohle und im Vorlauf die Oberfläche von Fremdkörpern absaugen (Laub usw.)

Am frühen Nachmittag kurz nach zwei Uhr wird schließlich am jenseitigen Widerlager der letzte Glattstrich gezogen.

Eine Folie schützt den Beton gegen die Sonne und vor zu schnellem Austrocknen.

Eine Woche später kommt Farbe ins Spiel. Die kugelgestrahlte Fahrbahnfläche wird mit einem zweifachen weinroten Grundierungsanstrich aus Epoxidharz versehen.
Ganz flügge ist die Brücke noch nicht. Auf der Enslinger Seite muss noch der rechte Flügel betoniert werden.
Fortsetzung folgt vorerst keine mehr, da am 24. November 2019 der Band „Instandsetzung Kocherbrücke Enslingen 2017“ veröffentlicht wurde.